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Junior-Übungsfirma oder Schülerfirma

Experimentieren und Erfahren

Lernende gestalten und führen selbständig eine Firma, um möglichst reale unternehmerische Erfahrungen zu machen.

Kurzbeschreibung Junior-Übungsfirma oder Schülerfirma

Die „Juniorfirma“ oder „Schüler/innenfirma“ ist eine auf Dauer angelegte und nachhaltige Methode, durch die die Auszubildenden bzw. Lernenden lernen, selbständig und eigenverantwortlich unter den strukturellen Bedingungen eines fiktiven und besser noch realen Unternehmens zu arbeiten. Juniorfirmen werden mehr in der beruflichen Ausbildung eingesetzt, Schüler/innen/firmen in der Schule. Beide verwirklichen eine praxisnahe Lernmethode, wobei die Lernenden unterschiedliche Aufgaben und Rollen innerhalb des Unternehmens übernehmen und so wirtschaftliche Prozesse, betriebliche Strukturen und unternehmerisches Denken erfahren. Die Methode gibt den Lernenden Möglichkeiten, reale Erfahrungen in den Bereichen des jeweiligen Produktes oder der Dienstleistung, dem Unternehmertum, Management, in der Teamarbeit und bei der Verantwortung zu sammeln. Betriebliche Juniorfirmen können in der Regel nur Aufträge der Mutterfirma („interne Aufträge“) annehmen, schulische Firmen können ihre Aufträge hingegen auch in der freien Wirtschaft akquirieren („externe Aufträge“).

Im Gegensatz zu einem fiktiven Planspiel werden im Rahmen der Anwendung dieser Methode marktfähige Produkte und Dienstleistungen hergestellt bzw. angeboten. Die Lernenden machen sich mit allen Bereichen ihres Unternehmens bekannt, wie z.B. Produktion, Marketing, Disposition, Vertrieb und Personalwesen und erlernen die einzelnen Aufgaben bei und durch ihre Arbeit in dem jeweiligen Bereich. Die jeweilige Firma stellt eine „Learning by Doing“ Methode dar. Sie fördert unter anderem fachliche Qualifikationen und Kompetenzen, Kreativität, Eigenverantwortlichkeit, Teamgeist und die soziale Kompetenz der Lernenden.

Methoden­­steckbrief

Zeitansatz

Der Zeitansatz hängt von der Komplexität des Themas ab:

Kurzprojekt (1-2 Monate):

Für eine kleinere Firma, bei der grundlegende Unternehmensprozesse exemplarisch und befristet durchlaufen werden, z.B. eine Dienstleistung oder ein einfaches Produkt.

Mittelgroßes Projekt (3-6 Monate):

Geeignet für Firmen, die einen etwas komplexeren Geschäftsplan umsetzen und mehr Zeit für Marktanalysen, Vertrieb und Produktentwicklung benötigen.

Langfristiges Projekt (Jahr oder länger):

Diese Form eignet sich für umfassende Junior-/Schüler/innenfirmen, die tiefer in betriebliche Abläufe eintauchen und längere Zeiträume für die Planung, Umsetzung und Reflexion brauchen.

Gruppengröße

Die Einrichtung der Gruppen richtet sich oft auf berufsvorbereitende Maßnahmen aus:

Kleingruppen (5-10 Personen):

Ideal für kleinere Unternehmen, bei denen die Teilnehmenden mehrere Rollen übernehmen. In solchen Gruppen kann flexibler auf Veränderungen reagiert werden.

Mittlere Gruppen (10-20 Personen):

Die Aufgaben können stärker spezialisiert und auf mehrere Rollen verteilt werden. Dies ist ideal für komplexere Firmen, die mehrere Geschäftsbereiche abdecken.

Große Gruppen (20+ Personen):

Große Gruppen können in Abteilungen arbeiten, in denen jede Abteilung für einen spezifischen Bereich (z.B. Produktion, Vertrieb, Finanzen) zuständig ist. Dies erfordert eine stärkere Organisation und Abstimmung zwischen den Abteilungen.

Analog und/oder Digital

Die Übungsfirma ist stark an den bestehenden analogen und digitalen Prozessen im eigenen Unternehmen orientiert.

Analoge Anwendungen:

Die Firma kann in einem realen Umfeld betrieben werden, z.B. mit Verkaufsständen in der Schule oder auf lokalen Märkten. Finanzunterlagen werden manuell geführt, und die Geschäftskommunikation erfolgt persönlich oder per E-Mail.

Digitale Anwendungen:

Online-Tools und Software wie „Trello“ für Projektmanagement, „Excel“ für Buchhaltung oder „Canva“ für Marketingmaterialien können genutzt werden, um die Firma digital zu unterstützen. Digitale Junior-/Schüler/innenfirmen können auch ausschließlich online arbeiten, z.B. durch den Verkauf von Produkten über einen eigenen Onlineshop oder die Bereitstellung von digitalen Dienstleistungen.

Vorbereitung

Vorbereitung eines Umsetzungsidee:

Die Lernbegleitung muss sich zuvor umfassend informieren und in Kooperation mit schon bestehenden Schüler/innen- oder Juniorfirmen ein klares Bild darüber entwickeln, wie eine Gründung und Durchführung konkret gelingen kann.

Durchführungs­schritte

1. Schritt: Einführung und Zielklärung

  • Die Lernbegleitung erarbeitet mit einer Gründungsgruppe von Lernenden die Grundidee der jeweiligen Firma. Es wird intendiert, dass das Projekt nicht nur das wirtschaftliche Denken fördert, sondern auch Teamarbeit, Problemlösung und kreative Fähigkeiten.
  • Gemeinsam werden die Firmenziele festgelegt, z.B. das Verständnis von Geschäftsprozessen, die Fähigkeit, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, die Entwicklung von Führungsqualitäten, die Position im Markt.

2. Schritt: Geschäftsidee und Konzeptentwicklung

  • In einem ersten Schritt entwickeln die Lernenden eine Geschäftsidee. Dies kann die Herstellung und der Verkauf eines Produkts oder die Erbringung einer Dienstleistung sein. Hierbei werden Recherchefähigkeiten, Kreativität und Innovationsfähigkeit gefördert.
  • Es folgt die Erstellung eines Geschäftsplans, in dem die Zielgruppe, das Marktumfeld, die Finanzierung, der Vertrieb und andere zentrale Aspekte geplant werden.
  • Es kann hier methodisch auch gut agil vorgegangen werden.

3. Schritt: Teamstruktur und Rollenverteilung:

  • Die Firma benötigt eine klare Struktur, in der alle Lernenden eine Rolle übernehmen. Typische Rollen in einer Firma sind:
    • Geschäftsführung
    • Marketing
    • Vertrieb
    • Buchhaltung
    • Produktion oder Dienstleistungserbringung
    • Personalbereich
  • Die Rollenverteilung sollte den Stärken und Interessen der Lernenden entsprechen. Alle Teammitglieder übernehmen Verantwortung für ihren jeweiligen Bereich.
  • Die Rotation der Rollen im Betrieb hilft, die Kompetenzen der Lernenden zu erweitern.

4. Schritt: Gründung der Firma und rechtliche Rahmenbedingungen

  • Die Firma wird offiziell gegründet. Dabei kann auch eine symbolische „Unternehmensgründung“ mit Vertrag oder Geschäftsordnung eingeführt werden. Es kann auch ein Firmenname gefunden werden.
  • Falls es sich um eine echte Junior-/Schülerfirma handelt, die tatsächlich mit Geld arbeitet, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt werden (z.B. Genehmigungen, steuerliche Aspekte, Versicherungsschutz).

5. Schritt: Betriebsaufnahme

  • Die Firma beginnt ihren operativen Betrieb. Dies kann die Herstellung und der Verkauf eines Produkts, die Vermarktung einer Dienstleistung oder andere geschäftliche Aktivitäten umfassen.
  • Regelmäßige Meetings und Berichte helfen, den Überblick über die Prozesse zu behalten. Die Lernenden führen Buch über Einnahmen, Ausgaben und Gewinne, analysieren den Erfolg ihrer Strategie und passen diese bei Bedarf an.

6. Schritt: Reflexion und Optimierung

  • Während und nach der Geschäftsphase wird regelmäßig reflektiert: Was läuft gut? Wo gibt es Herausforderungen? Welche Entscheidungen waren erfolgreich, welche nicht?
  • Dies kann in Form von Team-Feedback-Runden oder durch Präsentationen der Geschäftsergebnisse erfolgen. Die Teilnehmenden lernen aus ihren Erfolgen und Fehlern, um ihre unternehmerischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

7. Schritt: Abschluss und Bilanz

  • Am Ende vorher bestimmter Zeiträume wird jeweils eine Zwischen- oder Abschlussbilanz gezogen. Die Lernenden erstellen eine Übersicht über die finanziellen Ergebnisse, die Erfahrungen und die Herausforderungen.
  • Häufig endet das Projekt mit einer Präsentation oder einem „Abschlussbericht“, in dem die Firma und die Arbeit der Lernenden reflektiert und bewertet werden.

Eine Schüler/innen- oder Juniorfirma kann schon früh helfen, Geschäftsprozesse, rechtliche Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Risiken einzuschätzen. Es wird in großem Maße Selbstwirksamkeit erfahren!

Tipps zur Durchführung

Tipps zur Durchführung
  • Realistische Geschäftsziele: Die Geschäftsidee muss im Rahmen des Schul- oder Weiterbildungskontexts realistisch umsetzbar sein. Die Firma sollte überschaubar und nicht zu komplex sein.
  • Klare Rollenverteilung: Für eine klare Verteilung der Rollen und Aufgaben innerhalb des Teams ist zu sorgen. Dies fördert Verantwortungsbewusstsein und stellt sicher, dass alle Mitglieder aktiv beteiligt sind. Eine Rotation der Rollen ist sinnvoll. 
  • Begleitende Unterstützung bieten: Die Lernbegleitung sollte aktiv mitwirken und regelmäßig Feedback geben, insbesondere in Bereichen, in denen wirtschaftliche oder andere Vorkenntnisse fehlen.
  • Engagement fördern: Um die Motivation aufrechtzuerhalten, sollten regelmäßig Fortschritte diskutiert und Erfolge gefeiert werden. Kleine Meilensteine (z.B. der erste Verkauf, die erste Marketingkampagne) können dabei helfen.
  • Fehler zulassen: Die Junior-/Schüler/innenfirma ist ein Lernprojekt, und es ist wichtig, dass die Lernenden auch aus Fehlern lernen dürfen. Reflexionsphasen bieten hierzu eine notwendige Gelegenheit, Herausforderungen zu analysieren und Verbesserungen vorzuschlagen.
Stolperfallen
  • Ungleiche Beteiligung: Es kann vorkommen, dass nicht alle Lernenden sich gleich stark engagieren. Hier sollte die Lernbegleitung sicherstellen, dass Aufgaben gerecht verteilt werden und alle gleichermaßen Verantwortung übernehmen. Es ist oft auch vorgesehen, dass bestimmte Lernende zur Berufsvorbereitung in die Firma aufgenommen werden.
  • Zu komplexe Geschäftsideen: Manche Firmen könnten zu ambitionierte Ideen entwickeln, die im Schulkontext schwer umsetzbar sind. Eine einfache, aber durchdachte Geschäftsidee ist oft erfolgreicher als ein überkomplexes Projekt.
  • Fehlende wirtschaftliche Kenntnisse: Besonders zu Beginn könnten die Lernenden Schwierigkeiten haben, betriebswirtschaftliche Konzepte wie Kostenrechnung oder Marketingstrategien zu verstehen. Hier ist eine enge Lernbegleitung wichtig.
  • Rechtliche Rahmenbedingungen: Wenn die Firma tatsächlich Produkte verkauft oder Dienstleistungen anbietet, müssen rechtliche Fragen (Steuern, Versicherungen, Haftung) im Vorfeld geklärt werden.
Variationen
  • Virtuelle Firma: Eine digitale Version der Firma, bei der die Produkte oder Dienstleistungen ausschließlich online vertrieben werden, z.B. über eine Website oder Social Media.
  • Soziale Firma: Anstatt auf Gewinne zu setzen, können Firmen auch soziale oder gemeinnützige Ziele verfolgen, z.B. durch den Verkauf von Produkten, deren Erlöse gespendet werden, oder durch die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Gemeinschaft.
  • Junior-/Schüler/innenfirma im Verbund: Mehrere Firmen an unterschiedlichen Schulen können zusammenarbeiten, indem sie Produkte oder Dienstleistungen austauschen und so ein Netzwerk von Lernfirmen bilden.
Anwendungs­beispiele

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten. Es ist jedoch immer vor Ort zu klären, welche Konkurrenz aus der Schule ggf. für reale Formen vor Ort entstehen kann. Hier muss berücksichtigt werden, dass der Non Profit-Betrieb nicht mit dem realen Markt in Konflikt gerät.

Beispiele aus Schulen:

  • Wirtschaft und Finanzen: Eine Firma bietet Beratungsdienstleistungen für Lernende an, z.B. Nachhilfe in Mathematik oder Hilfe beim Erstellen von Bewerbungsschreiben. Dabei werden neben Fachinhalten zugleich Grundlagen von Dienstleistungen und der Rechnungslegung geübt.
  • Technologie und IT: Eine Firma entwickelt und verkauft einfache Webseiten für lokale Kleinunternehmen. Dies fördert digitale Kompetenzen und unternehmerisches Denken im IT-Bereich.
  • Fahrradwerkstatt: Hier werden in der Schule Reparaturen an Fahrrädern organisiert. Wichtig ist, dass die Überprüfung durch die Arbeitslehre an der Schule erfolgt, um die Gewährleistung und  Haftung zu erfüllen.
  • Kunst und Design: Eine Firma entwirft und verkauft handgefertigte Kunstwerke oder selbst gestaltete Grußkarten. Dabei lernen die Teilnehmenden, wie man kreative Produkte vermarktet und verkauft.
  • Umwelt und Nachhaltigkeit: Eine Firma produziert und verkauft nachhaltige Produkte, z.B. wiederverwendbare Taschen oder umweltfreundliche Seifen. Die Firma kann auch auf umweltbewusste Geschäftspraktiken achten und den Aspekt der Nachhaltigkeit in den Geschäftsalltag integrieren.
  • Gastronomie: Eine Firma betreibt ein Schulcafé oder einen Kiosk, in dem Snacks und Getränke verkauft werden. Die Lernenden übernehmen die Zubereitung, den Verkauf und das Marketing.

Beispiele aus der (betrieblichen) Ausbildung:

  • IT, Fachinformatiker: Hier kann eine Übungsfirma gegründet werden, die Aufträge aus dem Unternehmen entgegennimmt und bei Bedarf angefragt werden kann. So können die Infrastrukturen und Prozesse des Betriebs ganz nah erlebt werden.
  • Medien und Marketing: Es kann für das Unternehmen das Erstellen von Medien, Grafiken, Social Media Inhalten usw. übernommen werden.
  • Train the Trainer: Lernende können Konzept für interne Weiterbildungen, Trainings, Workshops entwickeln und durchführen (die Konzeption und Durchführung sollte begleitet sein).
  • Technischer Betrieb oder Handwerk: Lernende können kleinere Reperaturen, Sonderanfertigungen für Kunden oder eigene Produkte/Dienstleistungen anbieten.

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