Fantasiereise
Experimentieren und Erfahren
Die Fantasiereise ist eine Methode zur Entspannung, Selbstreflexion und Assoziation.
Kurzbeschreibung Fantasiereise
Bei Fantasiereisen handelt es sich um meist mündlich angeleitete innere Reisen, in denen sowohl Erwachsene als auch Kinder lernen, in ihrer Fantasie Vorstellungen zu assoziieren und zu entwickeln, mitunter auch um Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen. Oft sollen sie helfen, Stress abzubauen, ein inneres Gleichgewicht herzustellen, etwas zu reflektieren und Fantasie und Kreativität zu fördern.
Fantasiereisen sind für alle Altersgruppen geeignet, wobei man auf individuell angepasste Geschichten achten sollte. Fantasiereisen sind vielseitig, sie können in der Schule und in der Weiterbildung auf unterschiedlichste Weise eingesetzt werden. Sie fördern nicht nur die Entspannung und Kreativität, sondern bieten auch Raum für Selbstreflexion und emotionale Verarbeitung. Sie eignen sich für viele Fächer und Kontexte und können sowohl analog als auch digital durchgeführt werden.
Methodensteckbrief
Zeitansatz
Der Zeitansatz hängt von der Komplexität des Themas ab:
Kurze Fantasiereise (5-10 Minuten):
Eine kurze, entspannende Fantasiereise, um die Lernenden zu beruhigen oder kreative Impulse zu setzen, z.B. als Einstieg oder Abschluss eines Themas.
Öffnende Fantasiereise (15-30 Minuten):
Eine Fantasiereise, die öffnend und vertiefend in ein Thema eintaucht und Zeit für eine Reflexion bietet. Geeignet für Entspannungsphasen oder kreative Prozesse.
Längere Fantasiereise (30-60 Minuten):
Längere Fantasiereisen, die als eigenständige Entspannungseinheit oder als Teil von Achtsamkeitstrainings durchgeführt werden. Diese erlauben eine intensive Reflexion und Entspannung. Bei der Länge sollte ganz genau auf die Zielgruppe geschaut werden. Kinder müssen eine so lange Ruhezeit erst einmal erlernen auszuhalten.
Gruppengröße
Es kann unterschiedliche Gruppengrößen geben:
Einzelarbeit:
Lernende können individuell an einer Fantasiereise teilnehmen, sei es durch eine Audioaufnahme oder eine persönliche Anleitung. Dies eignet sich besonders für die Selbstreflexion und Entspannung.
Kleingruppe (2-5 Personen):
In kleineren Gruppen können Fantasiereisen interaktiver gestaltet werden, wobei die Teilnehmenden ihre Erfahrungen in der Gruppe austauschen und besprechen.
Großgruppen (6-20+ Personen):
Fantasiereisen können auch in größeren Gruppen durchgeführt werden, wobei anschließend die Reflexion in Kleingruppen oder individuell erfolgen kann.
Analog und/oder Digital
Es gibt analoge und digitale Möglichkeiten in der Umsetzung:
Analoge Anwendungen:
Fantasiereisen können in einem Klassenraum, Seminarraum oder draußen durchgeführt werden. Die Lernbegleitung liest eine Geschichte vor oder erzählt frei, während die Lernenden entspannt sitzen oder liegen. Begleitende Geräusche wie Naturklänge oder leise Musik können die Reise unterstützen.
Digitale Anwendungen:
In der digitalen Welt können Fantasiereisen als Audiodateien oder Videos zur Verfügung gestellt werden, die die Lernenden eigenständig nutzen können. Apps und kommerzielle Plattformen wie „Calm“ oder „Headspace“ bieten geführte Meditationen und Fantasiereisen an, die auch in der Schule oder im Weiterbildungsbereich eingesetzt werden können. Plattformen wie „Insight Timer“ bieten kostenlos Meditationen an.
Vorbereitung
Vorbereitung der Fantasiereise:
Es kann hilfreich sein, dass man einen schriftlichen Leitfaden für Fantasiereisen erstellt und diesen dann vorliest. Gerade bei Fantasiereisen zur inhaltlichen Reflexion kann dies sinnvoll sein.
Durchführungsschritte
1. Schritt: Die Entspannungsphase
Damit sich die Teilnehmenden vollständig entspannen können, sollten sie die Augen schließen und gleichmäßig tief ein- und ausatmen. Die Gedanken an den Alltag sollten losgelassen werden, damit man sich völlig auf die Reise in eine andere Welt einlassen kann.
Es eignen sich auch einfache Formen von Entspannungsübungen, wie man sie aus dem autogenen Training kennt.
2. Schritt: Die Reise
Sind diese Voraussetzungen geschaffen, wird den Reisenden eine Geschichte vorgelesen. In dieser wird ein Ort beschrieben, an dem sich der Zuhörer besonders wohl fühlen soll. Die Reisenden sollen versuchen, sich den Ort in ihrer Fantasie so lebhaft auszumalen, dass sie sich kleinste Details der Umgebung sowie ihre Gefühle und ihr Verhalten an diesem Fantasieort vorstellen können. An diesem Platz werden die Reisenden nun ermutigt, ihre Vorstellungen zu assoziieren, zu entwickeln, ggf. Probleme zu lösen und ihre Ziele zu erreichen. Die Fantasiereise kann hier zur Entspannung eingesetzt werden oder es können inhaltliche Reflexionen, Ideen entwickelt oder Assoziationen gebildet werden.
3. Schritt: Rückkehr in die Realität
Am Ende einer Fantasiereise ist es wichtig, die Bilder langsam ausklingen zu lassen und die Beteiligten behutsam in die Alltagswelt zurückzuführen. Die „Reiseleitung“ hilft hier bei den langsamen Übergängen und gedanklichen Wegen. Hierbei muss auch der Körper den Weg zurück in die Realität finden. Dies kann durch tiefes Durchatmen und zum Beispiel mit Hilfe von Räkeln und Strecken des gesamten Körpers geschehen.
4. Schritt: Auswertung und Reflexion
Um nicht ganz allein mit Empfindungen dazustehen, können sich die Fantasiereisenden untereinander austauschen, sofern dies erwünscht ist. Gerade in pädagogischen Prozessen kann dieser Wunsch sinnvoll sein. Die Erfahrungen aus der Fantasiereise können aufgeschrieben und anschließend vorgelesen werden. Auch das Malen ist eine Form der Darstellung, wobei der Schwerpunkt nicht auf dem künstlerischen Ausdruck und einer Bewertung der Darstellung liegen sollte. Dies gilt auch für das Modellieren wie auch für die körperliche Darstellung eines Aspektes aus der Fantasiereise.
Auch unterdrückte Gefühle und Bedürfnisse können durch Fantasiereisen intensiver erlebt und visualisiert werden. In der Nachbereitung besteht die Möglichkeit, die Bilder in die Gegenwart zu projizieren und später in den Alltag mit einfließen zu lassen.
Bei diesem Austausch ist aber zu beachten, dass die Fantasiereisen keinesfalls moralisch oder lenkend zu bewerten sind. In der Fantasie ist man oft mit verworrenen, irrational erscheinenden, uneindeutigen Bildern konfrontiert, die man erst einmal auf sich wirken lassen sollte. Sofern dabei Ängste auftreten, sollte gefragt werden, was Angst bereitet und was gegen die Angst wirken mag. Auf keinen Fall aber sollten Erlebnisse und Bilder eines anderen bestritten oder bewertet werden, wenn über mögliche Fantasien gesprochen wird.
Einfache Auswertungsfragen können sein:
- Wie hat dir die Fantasiereise gefallen?
- Was hast du gesehen und erlebt?
- Was hast du dabei gefühlt und gedacht?
- Was war für dich wichtig, angenehm oder weniger gut?
- Was hast du beim Zeichnen (Malen, Formen…) erlebt?
- Erinnert dich etwas an dein wirkliches Leben?
- Was lernst du aus dieser Erfahrung?
Auf Formen der Interpretation von außen im Sinne von „Du fühlst also offensichtlich …“ sollte verzichtet werden. Sinnvoller ist die Frage, was Lernende für sich erlebt haben und welche Bedeutung es aus ihrer/seiner Sicht haben könnte. Möglichst alle Teilnehmenden sollten über ihre Bilder der Fantasiereise berichten können.
Fantasien sind als Imaginationen Angebote, die nie aufgezwungen werden sollten!
Tipps zur Durchführung
Tipps zur Durchführung
- keine Manipulation: Wer Fantasiereisen anbietet, sollte bereits selbst Erfahrungen mit dieser Methode erworben haben. Sinnvoll ist auch ein Erfahrungsaustausch mit anderen. Es gibt bei Fantasiereisen stets eine doppelte Gefahr: Erstens die Möglichkeit einer Tendenz zur Manipulation durch gezielte Beeinflussung und unreflektierte Übertragungen, wobei insbesondere bei Abhängigkeitsverhältnissen die Imaginationen zu stark in bestimmte Richtungen gelenkt werden. Zweitens die Möglichkeit einer lächerlichen und peinlichen Situation, wenn die Fantasiereise nicht auf die Bezugsgruppe oder einzelne Teilnehmer passt. Was kann man tun, um diese Fehler zu vermeiden? Um einer Manipulation vorzubeugen, ist eine anschließende offene Aussprache nötig, wobei das Gespräch nicht zu stark gelenkt werden sollte. Gegen die Lächerlichkeit wirkt eine Kontextsensibilität, die schon während des Vortragens die Geschichte als Angebot zeigen und ggf. variieren muss.
Ferner gilt es einige Regeln einzuhalten:
- Zur Durchführung der Fantasiereise sollte ein Zeitpunkt gewählt werden, zu dem die Reisenden ihre Fantasie uneingeschränkt schweifen lassen können.
- Um den Teilnehmenden die bestmöglichste Entspannung bieten zu können, sollten sie eine bequeme Haltung einnehmen. Die Geschichte sollte mit ruhiger Stimme vorgelesen oder vorgetragen werden.
- Wichtig ist bei der Auswahl der Bilder und Inhalte der Geschichte, dass ein Assoziations- und Vorstellungsraum eröffnet wird, Situationen oder Probleme in neuer Weise sichtbar zu machen, offen für neue Lösungen oder Wünsche zu sein.
- Die Fantasiereise sollte ein Ziel verfolgen, welches die „Reiseleitung“ klar vor Augen hat, um die Technik nicht zu einem undurchschaubaren Spiel werden zu lassen. Um Manipulationen auszuschließen, sollte dieses Ziel in einer späteren Reflexion mit der Gruppe immer auch thematisiert werden.
Stolperfallen
- Fehlende Konzentration: Manche Lernende haben Schwierigkeiten, sich auf die Fantasiereise einzulassen, insbesondere wenn sie nicht entspannt oder abgelenkt sind. Eine ruhige Atmosphäre und Einstimmungsphasen können helfen, diese Hürde zu überwinden.
- Unwohlsein: Nicht alle Lernenden fühlen sich in Entspannungssituationen wohl. Es ist wichtig, ihnen die Möglichkeit zu geben, das Setting zu verlassen oder die Augen offen zu lassen, wenn sie sich unwohl fühlen.
- Ungeduld oder Frustration: Wenn die Fantasiereise zu lange dauert oder zu abstrakt ist, können einige Lernende ungeduldig oder frustriert werden. Eine klare Struktur und gut abgestimmte Zeitphasen sind entscheidend.
- Durchführungskontext auf Gruppe beziehen: Wegen der hohen Emotionalität ist besonders auf den Kontext zu achten. Es gibt verschiedene Arten der Durchführung. So kann die Geschichte zum Beispiel von einer Aufzeichnung kommen oder von einer Person vorgelesen werden. Weiterhin kann durch ruhige Musik im Hintergrund die Entspannung gefördert werden. Erfahrene Fantasiereisende können auf diese Hilfestellungen auch verzichten, indem sie die Fantasiereise nur in ihrem Kopf stattfinden lassen.
- Ungeübte Gruppen: Es empfiehlt sich, bei ungeübten Gruppen anfangs einfache Fantasiereisen anzubieten, die nicht zu lange dauern und die im Bereich „Entspannung“ liegen. Es sollten alle Sinne angesprochen werden, damit die Reisenden möglichst intensive Vorstellungen entwickeln können. Wichtig sind eine beruhigende Sprache sowie eine entspannende Atmosphäre. Es darf kein Zwang sein, an einer Fantasiereise teilzunehmen. Während der Fantasiereise sollte der Raum eine Insel der Ruhe sein.
Variationen
- Thematische Fantasiereisen: Fantasiereisen können auf bestimmte Themen ausgerichtet sein, z.B. eine Reise in die Vergangenheit, in die Zukunft, in die Natur oder in abstrakte Konzepte (innerer Frieden, Mut).
- Interaktive Fantasiereisen: In kleineren Gruppen können die Lernenden aktiv an der Fantasiereise teilnehmen, indem sie bestimmte Szenen selbst mitgestalten oder ihre eigenen Fantasien einbringen.
- Reflexion: Fantasiereisen können zur Reflexion eines Tages, eines Prozesses oder einer Thematik genutzt werden. So könnte man z.B. anleiten, dass die Lernenden an einem Strand stehen und den Tag Revue passieren lassen sollen. Sie sollen reflektieren, was sie gelernt, gehört, entdeckt haben. Dies könnte man z.B. mit einer Muschel simulieren, die an das Ohr gehalten wird und es wird zugeflüstert, was heute passiert ist. Andere unwichtige Inhalte verschwinden in den Wellen.
- Kreative Nachbearbeitung: Nach der Fantasiereise können die Lernenden ihre Erlebnisse durch Malen, Schreiben oder Basteln ausdrücken. Dies fördert nicht nur die Reflexion, sondern regt auch die kreative Auseinandersetzung an.
- Geführte Meditation: Als Variation können geführte Meditationen, die sich auf Atemtechniken, Achtsamkeit oder Stressbewältigung konzentrieren, ebenfalls als Fantasiereise dienen. Hier steht eher die emotionale und mentale Entspannung im Fokus
Anwendungsbeispiele
- Kunst und Kreativität Beispiel: Die Lernenden werden durch eine Fantasiereise in eine imaginäre Welt geführt, aus der sie anschließend Bilder oder Skulpturen entwickeln. Diese Methode fördert die Kreativität und lässt Raum für eigene Interpretationen.
- Geschichte Beispiel: Eine Fantasiereise kann genutzt werden, um die Lernenden gedanklich in historische Zeiten zu versetzen. Sie können sich vorstellen, wie das Leben in einer bestimmten Epoche war und so ein tieferes Verständnis für die Geschichte entwickeln.
- Stressbewältigung und Entspannung Beispiel: In einem Achtsamkeitstraining wird die Fantasiereise eingesetzt, um den Lernenden zu helfen, sich zu entspannen und ihre Gedanken zu ordnen. Dies kann als Vorbereitung auf Prüfungen oder in stressigen Phasen genutzt werden.
- Sprachunterricht Beispiel: In einem Fremdsprachenunterricht kann die Fantasiereise dazu dienen, neue Vokabeln oder Redewendungen spielerisch in einer imaginären Umgebung anzuwenden, z.B. auf einer Reise in ein fremdes Land.
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