Rollenspiel und Simulation
Soziales Lernen
Üben und Wiederholen
In die Rolle anderer schlüpfen, um Empathie, Perspektivwechsel und Lösungen zu fördern.
Kurzbeschreibung Rollenspiel und Simulation
Das Rollenspiel ist eine interaktive Lernmethode, bei der Teilnehmende in die Rollen von Personen oder Figuren schlüpfen, um Szenarien durchzuspielen. Es eignet sich besonders zur Förderung von Empathie, Perspektivwechsel, Problemlösung und sozialen Kompetenzen. Ein in der Gruppe relevantes Thema (gegebenenfalls Konflikt) wird spielerisch dargestellt. Zum Einsatz sollte diese Methode vor allem dann kommen, wenn es darum geht, Handlungsaspekte zu fördern und lebensnahe Beobachtungspositionen einzunehmen. Durch Rollenspiele werden vor allem Selbst- und Fremdbeobachtungsfähigkeiten geschult. Durch die Einbindung realistischer Szenarien und einer anschließenden Reflexion wird ein direkter Transfer in den Alltag ermöglicht.
Methodensteckbrief
Zeitansatz
Der Zeitansatz umfasst mehrere Phasen:
Einführung und Rollenverteilung:
5-15 Minuten
Durchführung des Rollenspiels:
10–30 Minuten (je nach Szenario).
Auswertung und Reflexion:
15–30 Minuten.
Gesamtdauer:
30–75 Minuten (je nach Komplexität und Zielsetzung).
Gruppengröße
Es sind unterschiedliche Gruppengrößen möglich:
Kleingruppe:
3–6 Personen (z.B. für Einzel-Szenarien).
Mittlere Gruppen:
7–15 Personen (mit mehreren Szenarien oder Beobachtenden).
Großgruppen:
Bis zu 30 Personen, wobei einige als Beobachtende agieren können.
Analog und/oder Digital
Analog und digital möglich:
Analoge Anwendungen:
- Räume gestalten: Szenarien durch Requisiten oder räumliche Anordnung verdeutlichen.
- Materialien: Rollenkarten, Kostüme, Moderationskarten.
- Visualisierung: Nutzung von Flipcharts oder Tafel für die Szenariobeschreibung.
Digitale Anwendungen:
- Videokonferenz: Rollenspiel in Breakout-Räumen.
- Virtuelle Tools: Nutzung von Plattformen wie GatherTown für interaktive Umgebungen.
- Digitale Rollenverteilung: Rollenkarten oder Szenarien in Tools wie Miro oder Google Docs bereitstellen.
- Avatare und KI: Einsatz von virtuellen Charakteren in Tools wie Second Life oder VR-Anwendungen. Oder Chat-Gesprächssimulation mit KI, wie character.ai.
Vorbereitung
Es sind unterschiedliche Vorbereitungsaufgaben sinnvoll:
Thema und Ziel festlegen:
Klare Definition des Szenarios und der Lernziele (z.B. „Konfliktlösung“, „Kommunikationsfähigkeiten“).
Szenario entwickeln:
Authentische Situationen simulieren, die die Teilnehmenden herausfordern, aber nicht überfordern.
Rollen definieren:
Rollenkarten mit klaren Anweisungen oder Hintergrundinformationen vorbereiten.
Materialien bereitstellen:
Analoge: Karten, Requisiten, ggf. Kostüme.
Digitale: Zugänge zu Tools, Rollenbeschreibungen als Dateien.
Gruppenaufteilung:
Je nach Szenario und Ziel heterogene oder homogene Gruppen bilden.
Durchführungsschritte
1. Schritt: Einführung
- Ziel der Methode und Ablauf erklären. Szenario und Rollen vorstellen.
- Eine mögliche Aufwärmphase (vor längeren Rollenspielen) dient der Lockerung und Entspannung aller zu Beginn. Auf diese Weise werden sie darauf vorbereitet, sich in andere Rollen hineinzuversetzen. Hier bieten sich Spiele an wie Pantomime oder Übungen wie die Überredung. Bei dieser sitzen Paare zusammen und A soll mit allen Mitteln, aber ohne physische Zwänge, B überreden, den Stuhl zu überlassen, obwohl dieser das nicht will.
2. Schritt: Erarbeitung des Rollenspiels
- In der Erarbeitungsphase wird zusammen mit der Gruppe ein relevantes Thema (Inhalt, Konflikt) diskutiert.
- Daraufhin wird zur Durchführung des Rollenspiels eine Situation festgelegt und die verschiedenen Rollen werden erarbeitet. Inwieweit das Rollenhandeln z.B. durch Rollenkarten oder Ereigniskarten usw. vorgegeben wird, richtet sich nach dem Lernziel des Rollenspiels. Übt man Fähigkeiten und Fertigkeiten (z.B. Verkaufsgespräch) sollten die Rollenvorgaben eher genauer sein. Aber auch bei Rekonstruktionen des Verhaltens von Menschen (z.B. im Geschichts- oder Politikunterricht) kann mit genauen Rollenangaben gearbeitet werden.
- Bei Konfliktrollenspielen kann diese Phase entfallen.
3. Schritt: Rollenverteilung
Teilnehmende wählen oder erhalten Rollen. Es gibt drei Beobachtungspositionen, die mit den Teilnehmenden vorher geklärt werden sollten:
- Als Spielende/r bin ich Akteur/in, ich lasse mich auf die Rolle ein. Hierbei erlebe ich mich in meiner Rolle, was zugleich eigene Anteile aktiviert und fremde (= die gestellte oder geforderte oder als gefordert gedachte Rolle) bewusst werden lässt. Nach dem Spiel werde ich aus meiner Rolle entlassen und bin wieder ich.
- Als Teilnehmende/r des Rollenspiels bin ich Mitglied einer Gruppe, die unter bestimmten Regeln dieses Rollenspiel durchführt. In dieser Rolle sollte ich zum Gelingen des Spiels beitragen, indem ich mich im Sinne der Spielidee bzw. meiner Rollenkarte verhalte.
- Als Beobachtende/r meines eigenen Verhaltens kann ich eine gewisse innere Distanz wahren und dies den anderen später auch erklären.
4. Schritt: Durchführung
- Das erarbeitete, ein anderes vorbereitetes oder leicht erfassbares Szenario wird durchgespielt, ohne dass Moderierende aktiv eingreifen.
- Wenn es um die Darstellung von Gefühlen und Einstellungen (z.B. Angst) geht, treten unterschiedliche Interpretationen der Verhaltensweisen auf. Diese Vielfalt anzuerkennen, ist sinnvoll, um zu lernen, über eigene Einstellungen nachzudenken und sich in andere Menschen hineinzuversetzen (Empathie). Bei der Rollenverteilung hat sich das Losverfahren bewährt, weil die Teilnehmenden so nicht auf bestimmte Rollen festgelegt werden.
- Gespielt wird auf einer imaginären Bühne, die aber in der Regel auf gleicher Ebene wie der Beobachterraum sein sollte. So haben die Spielenden nicht das Gefühl, vorgeführt zu werden. Gleichzeitig wird der Unterhaltungseffekt eines Theaterstücks vermieden.
- Um das Spiel zu erleichtern, sollte den Teilnehmenden immer klar sein, an welchem Ort und in welcher Zeit die Handlung stattfindet.
- Je nach Lernziel bieten sich verschiedene Rollenspieltechniken an. Die beiden bewährten Grundtechniken sind:
- „Fischteich“ – Methode (Fishbowl im Methodenpool): Die Spielgruppe wird von den übrigen Teilnehmenden beobachtet, also die einen schwimmen im Teich, die anderen stehen am Ufer und schauen zu.
- Multiples Verfahren: Die Gruppe wird in Zweier-/Dreiergruppen aufgeteilt. Alle Gruppen spielen gleichzeitig für sich, wobei ein Mitglied der Kleingruppe die Funktion des Beobachtenden übernehmen kann. Abschließend werden die Ergebnisse in der großen Gruppe vorgestellt und diskutiert.
- Weitere Techniken sind u.a.: Rollenrotation, Rollentausch, Doppelgänger, Spiegelverfahren, Selbstgespräch.
- Das Rollenspiel kann unterschiedlich lange dauern, sollte aber nicht ausufern.
5. Schritt: Entlassungsphase
In der Entlassungsphase werden die Spielenden aus ihren Rollen entlassen, um Distanz zur Rolle zu finden. Egal wie kurz das Spiel war, die Entlassung sollte immer stattfinden! Denn nur durch Distanz kann das Spiel analysiert werden. Die Trennung von Rolle und Person ist wichtig, damit die im Rollenspiel auftretenden Konflikte nicht in die Alltagswirklichkeit übertragen werden. Die Phase dient auch dem Schutz der Spielenden, weil die Kritik am Rollenverhalten nicht zur Kritik an der Person werden darf.
6. Schritt: Reflexion und Auswertung
In dieser Phase findet der rückbetrachtende Lernprozess durch Reflexion, Diskussion, Aufstellen von Kommentaren, alternativen Lösungsmöglichkeiten statt. Akteure und Beobachtende teilen ihre Eindrücke. Sie fragen etwa
- Wie authentisch waren meine Aktionen? Was habe ich erlebt? Welche Teile waren mir eigen, welche fremd? Was haben die Beobachtenden gesehen?
- Auf welche Teilnahme (= das, was ich verstehe und annehme) konnte ich mich einlassen? Wo gab es Grenzen? Was lehne ich ab? Wie haben die Beobachtenden die Situation aus ihrer Sicht empfunden?
- Was habe ich beobachtet? Was habe ich bei mir gesehen? Was bei anderen? Was haben die Beobachtenden bei sich bemerkt?
Transfer: Erkenntnisse auf reale Situationen übertragen und festhalten.
Rollenspiele erzeugen immer eine Selbstkundgabe. Wird diese nicht hinreichend reflektiert und in ihrem Nutzen für die Beteiligten nicht erkennbar, dann werden Rollenspiele grundsätzlich abgelehnt, weil sie als zu persönlich erscheinen.
Tipps zur Durchführung
Tipps zur Durchführung
- Atmosphäre schaffen: Eine vertrauensvolle Umgebung fördern, damit sich Teilnehmende sicher fühlen.
- Klare Anweisungen: Rollenbeschreibungen und Szenarien sollten detailliert, aber nicht überfordernd sein.
- Beobachtungsaufgaben: Zuschauende können spezifische Aspekte beobachten (z.B. Kommunikationsverhalten).
- Zeitmanagement: Rede- und Interaktionszeiten klar vorgeben, um den Fokus zu wahren.
- Vielfältige Szenarien: Themenvielfalt und unterschiedliche Perspektiven fördern.
Stolperfallen
- Unsicherheit: Manche Teilnehmende fühlen sich unwohl, in Rollen zu schlüpfen. Freiwilligkeit betonen.
- Ungenaues Szenario: Zu vage Szenarien können die Durchführung erschweren.
- Ungleichgewicht: Dominante Teilnehmende könnten die Dynamik beeinflussen.
- Fehlende Reflexion: Ohne Nachbesprechung bleiben Erkenntnisse oft unklar.
- Zeitprobleme: Zu lange oder unklare Abläufe können zu Frustration führen.
Variationen
- Rollentausch: Nach einer Runde wechseln die Teilnehmenden ihre Rollen, um Perspektivwechsel zu fördern.
- Improvisiertes Rollenspiel: Szenario wird ohne Vorbereitung entwickelt, um Spontanität zu trainieren.
- Geführtes Rollenspiel: Moderierende lenken das Rollenspiel durch zusätzliche Impulse.
- Schriftliches Rollenspiel: Rollenspiel als schriftliche Simulation (z.B. E-Mail-Austausch zwischen Rollen).
- Digitales Rollenspiel: Nutzung von virtuellen Umgebungen, Chat-Gesprächssimulationen oder Tools wie ChatGPT zur Unterstützung.
Anwendungsbeispiele
Rollenspiele müssen einen Nutzen haben, d.h. es sollte etwas aus ihnen gelernt werden können. Nur dann werden Teilnehmende sie in Zukunft spielen wollen. Die Lernbegleitung sollte von Rollenspielen überzeugt sein und möglichst selbst positive Erfahrungen mit ihnen gemacht haben. Einige Anregungen zu Rollenspiel:
Unterricht:
- Literatur: Konstellationen einer Erzählung oder eines Romans nachspielen lassen oder ein alternatives Ende erfinden lassen.
- Geschichte: Nachstellen eines historischen Ereignisses, z.B. eine Debatte im Parlament.
- Fremdsprachen: Alltagssituationen wie ein Restaurantbesuch oder ein Bewerbungsgespräch.
- Sozialwissenschaften: Konfliktszenarien im sozialen Kontext analysieren.
Weiterbildung:
- Führungskräfte-Training: Umgang und Feedback mit schwierigen Mitarbeitenden simulieren.
- Kommunikationstraining: Aktives Zuhören und Gesprächsführung üben.
- Telefontraining: Telefonieren und Kundenberatung simulieren.
Teambuilding:
- Szenarien zur Konfliktlösung oder zur Entwicklung von Teamdynamik.
Projektarbeit:
- Simulation von Projektmeetings oder Stakeholder-Gesprächen.
Organisationsentwicklung:
- Rollenspiele zur Veränderung von Unternehmensstrukturen oder Einführung neuer Prozesse.
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